Machen Frauen anders Politik als Männer? Die Antwort auf diese Frage liegt irgendwo zwischen Geschlechterstereotypen und widersprüchlichen empirischen Ergebnissen. Leisten Frauen automatisch aufgrund ihres Geschlechts bessere Arbeit in Parlamenten als Männer? Das erscheint eher unwahrscheinlich. Sind geringe Frauenanteile in Parlamenten ein Problem für die Demokratie? Mit Sicherheit ja, denn sie deuten auf strukturelle Diskriminierung hin, die sich auch von einer Frau an der Spitze der Bundesregierung nicht überstrahlen lässt. Nach der Bundestagswahl 2009 lag der Frauenanteil bei lediglich 32,8%, ein Wert, der seit der Wahl 1998 (30,8%) mehr oder weniger stagniert. Die Debatte um Quotenregelungen für Führungsetagen großer Unternehmen ließe sich also problemlos auf den Bundestag und die politischen Parteien übertragen.
Natürlich kann man anmerken, dass Wahlergebnisse – und damit natürlich auch die Frage, wer denn eigentlich im Bundestag repräsentieren soll – die Interessen der Bürgerinnen und Bürger widerspiegeln sollen. Im Gegensatz zur Frage, ob ich meine Stimme an die SPD oder die CDU vergebe (bzw. sie der FDP leihe ;-)), habe ich keinen direkten Einfluss darauf, welche Person ich in den Bundestag entsende. Dies liegt zum einen an der noch immer starken Bindungskraft von Parteien, wenn es um die Wahlentscheidung geht. ((Wagner, Aiko und Bernhard Weßels (2011): „Kanzlerkandidaten – Wie beeinflussen sie die Wahlentscheidung“, in Politischer Vierteljahresschrift, Sonderheft 45/2011, S. 345 – 370.)) Zum anderen begrenzt das bei der Bundestagswahl zur Anwendung kommende Wahlsystem eine personenbezogene Wahlfreiheit: In jedem Wahlkreis tritt pro Partei nur eine Kandidatin bzw. ein Kandidat an und die Reihenfolge der Personen auf den Parteilisten steht ex ante fest und ist nicht wie in anderen Ländern mit Präferenzstimmen (z.B. Niederlande) am Wahltag durch die Stimmabgabe beeinflussbar. Mit anderen Worten: Maßgeblich entscheidend für die Geschlechterverteilung im Deutschen Bundestag sind die Parteien, weil sie allein darüber entscheiden, welche Wahlkreis- und Listenkandidatinnen und -kandidaten aufgestellt werden. Was lässt sich diesbezüglich im Vorfeld der Bundestagswahl am 22. September berichten?
In Abbildung 1 betrachten wir den Frauenanteil an allen 2013 zur Wahl stehenden Personen der im Bundestag vertretenen Parteien sowie AfD und Piraten. Keiner der Parteien gelingt es dabei eine Repräsentanz von Frauen zur erreichen, welcher dem tatsächlichen Frauenanteil in der Bevölkerung entsprechen würde. Die Grünen halten mit 43,7% Frauenanteil noch den höchsten Wert, gefolgt von der SPD (39,8%), sowie der Linken (35,2%). Schlusslicht bei den etablierten Parteien ist die FDP, deren Kandidatinnenanteil nur 19,8% beträgt. Auch in den beiden neuen Parteien dominieren Männer. Nur 16,7% der Kandidaturen bei den Piraten und 13,8% bei der AfD werden von Frauen besetzt.
Von den nordischen Ländern wissen wir, dass die Einführung einer Frauenquote innerhalb einer Partei Anpassungsdruck auf die anderen Parteien ausübt. Üblicherweise führt eine kleine, sich am linken Rand des politischen Spektrums befindende Partei eine Regelung zur innerparteilichen Gleichstellung ein. Die politisch nächstliegende Partei folgt nach und dies zieht sich durch bis zu den konservativen Parteien. Das erklärt sich auch damit, dass Quotenregelungen eine werbende Funktion nach außen haben. Die Parteien signalisieren also den Wählerinnen und Wählern, sich aktiv für Gleichstellung einzusetzen.
Zu Zeiten, in denen das Parlament nur aus drei Parteien bestand, stagnierte der Anteil der weiblichen Bundestagsabgeordneten zwischen 5,8 und 9,2% – ähnlich niedrige Zahlen ergaben sich bezüglich der Kandidaturen. Mit dem Einzug der Grünen in den Deutschen Bundestag 1983 kam Bewegung in die Debatte – wie auch in den Frauenanteil, der knapp 20 Jahre lang stetig anstieg. 1988 zog die SPD nach, acht Jahre später führte die CDU ein Frauenquorum ein. (( Davidson-Schmich, Louise K. und Isabelle Kürschner (2011): „Stößt die Frauenquote an ihre Grenzen? Eine Untersuchung der Bundestagswahl 2009“, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen, 42.1, S.25-34.))
Bezüglich der Zahlen in Abbildung 1 lässt sich noch immer der Zusammenhang zwischen innerparteilichen Frauenquoten und der gleichgewichtigen Repräsentanz von Frauen und Männern erkennen. Jene Parteien, welche sich eher strenger formalisierte, weitreichendere und höhere Frauenquoten auferlegen (Grüne, Linke, SPD), zeigen auch den größten Anteil an kandidierenden Frauen. Parteien mit schwächeren Quoten oder Quoren mit Empfehlungscharakter (CDU, CSU) fallen dahinter zurück. Die niedrigsten Frauenanteile erzielten durchweg Parteien, welche ganz auf innerparteiliche Quoten verzichten (FDP, AfD, Piraten).
Dabei erstreckt sich auch die innerparteiliche Quote der Grünen und der Linken nicht auf alle Kandidaturtypen. Lediglich die Listenplätze sind alternierend zu vergeben, um eine Mindestparität von Frauen zu erreichen. Abbildung 2 zeigt den Frauenanteil der Parteien nach Art der Kandidatur. Bei der Nominierung der Listenplätze zeigt sich, dass sowohl Linke als auch Grüne ihre eigenen Quoten von 50% erfüllen. Da beide Parteien ihre Bundestagsmandate fast ausschließlich über Landeslisten erzielen, ist also eine gleichwertige Repräsentanz im Bundestag zu erwarten. Die Volksparteien CDU und SPD erfüllen ebenso mit 35,85 und 40,5% ihre internen Quoten (CDU: 33%, SPD: 40%). Auch die CSU scheint mit 30% Frauenanteil an Listenplätzen noch im Mittelfeld zu schwimmen. Da die Partei jedoch ihre Mandate über die Wahlkreise erzielt, ist der Frauenanteil bei den Wahlkreiskandidaturen relevant. Mit 17,8% erreicht sie damit einen ähnlich niedrigen Wert wie die FDP (17,1%). Die FDP verzichtet bis heute auf eine innerparteiliche Quote, obwohl die Liberalen Frauen intern schon länger für eine 40%-Quote eintreten.
Und tatsächlich hat keine der im Bundestag vertretenen Parteien eine formale Regelung um eine Angleichung bei den weiblichen und männlichen Wahlkreiskandidaturen herzustellen. In der Praxis kristallisieren sich Wahlkreiskandidatinnen und -kandidaten häufig in kleinen, informellen Parteigruppierungen heraus, in denen Frauen tendenziell unterrepräsentiert sind. Den offiziellen Wahlgremien werden dann nur selektiv Bewerberinnen und Bewerber vorgeschlagen. Daher überrascht es nicht, dass alle Parteien einen niedrigeren Anteil weiblicher Wahlkreiskandidaturen haben im Vergleich zu den Listenplätzen. Bei Parteien, die vorwiegend über Listenplätze Mandate erzielen, mag dies noch zu verschmerzen sein. Bei den sogenannten Volksparteien, welche hauptsächlich Direktmandate erzielen, führt dies jedoch dazu, dass sie sich zwar mit der Erfüllung von Quoten schmücken können, zu deren Umsetzung es aber faktisch nicht kommt.
Abbildung 2 zeigt zudem den Anteil der Frauen, die sowohl im Wahlkreis als auch auf einem Listenplatz kandidieren. Diese Doppelkandidaturen sind gerade für die Kandidatinnen und Kandidaten der kleineren Parteien relevant, da ihre Chancen gering sind ein Direktmandat zu erringen. Bei fast allen Parteien (außer CDU) nähert sich der Anteil der Frauen an Doppelkandidaturen dem Wert für die Listenplätze an. Es zeigt sich, dass die Parteien zumindest bemüht sind, die ihre Wahlkreiskandidatinnen mit einer Doppelkandidatur abzusichern.
Die Gesamtschau zeigt, dass Parteien mit einer internen Frauenquote, diese auch erfüllen. Eine feste Regelung dieser Quoten erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass diese auch erreicht werden. Interne Frauenquoten haben auch zu einer Erhöhung der Repräsentanz von Frauen im Bundestag geführt. Wirklich überraschend sind diese Zahlen nicht. Wie bereits angesprochen war eine gleiche Verteilung von Frauen und Männern – unabhängig vom Kandidaturtyp – auch bei früheren Wahlen nicht annähernd gegeben. Sowohl aus den Veröffentlichungen des Bundeswahlleiters als auch der Europäischen Akademie für Frauen ((hier das pdf)) zur aktuellen Bundestagswahl lässt sich diese Ungleichverteilung ablesen. Selbst einige der Parteien haben, wie eine Studie von Sara Schlote ((hier das pdf)) zu Frauenanteilen in baden-württembergischen Lokalparlamenten zeigt, die Situation erkannt und suchen nach Möglichkeiten, eine Verbesserung herbeizuführen. Ob es zu relevanten Veränderungen kommt, bleibt abzuwarten. Zum jetzigen Zeitpunkt kann nicht zwischen Lippenbekenntnissen und wirklichem Tatendrang unterschieden werden. Klar ist, dass die Parteien in unterschiedlichem Maß gefordert sind. Während vor allem die Grünen bereits ihre satzungsrechtlichen Hausaufgaben gemacht haben bzw. durch andere Strukturen und Maßnahmen höhere Frauenanteile aufweisen, sieht die Situation bei anderen Parteien teilweise deutlich schlechter aus. Insbesondere dem deregulierten Kandidaturenmarkt der FDP würde ein zumindest temporärer steuernder Eingriff gut tun. Auch oder gerade die beiden neuen Parteien Piraten und AfD tragen aktuell keineswegs zu einer Verbesserung bei. Die Stereotype des bebrillten Computernerds und des rechtskonservativen Rentners mögen nicht mehr als Klischees sein. Ein eindeutiger Männerüberschuss bei den Kandidaturen lässt sich jedoch nicht wegdiskutieren.
Erneut: Ein höherer Frauenanteil ist keine Garantie für eine andere oder gar bessere Politik. Ein Umdenken bei der innerparteilichen Politik würde Deutschland nach Innen und Außen jedoch gut zu Gesicht stehen. So könnten Parteien nach Innen als Vorbild voran gehen und damit auch gegenüber Unternehmen, aber auch der Gesellschaft als Ganzes, ein Zeichen setzen. Nach Außen würde die eine oder andere Kritik bezüglich Frauenrechten und Diskriminierung in anderen Ländern auch mehr Gewicht haben, wenn Deutschland bezüglich des parlamentarischen Frauenanteils nach Zahlen der Inter-Parliamentary Union nicht lediglich Rang 25 – hinter Nepal und Serbien – einnehmen würde. Ohne eine Veränderung der Nominierungspolitik wird dies aber eine Utopie bleiben.
Wenn die Piraten einen Frauenanteil bei den Mitgliedern von 16% haben und 16% der Kandidaten sind Frauen wüsste ich nicht was die Piratenpartei tun sollte ausser zufrieden zu sein. Leider wird das Geschlecht nicht erfasst in den Mitgliederdatenbanken bis jetzt.
Bei der AfD fand ich Zahlen aus MAi 2013 mit 14% Frauenanteil, also was wollt ihr? Bei der FDP fand ich 23% Frauenanteil, die haben als einzige einen wirklichen Nachholbedarf.
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