Ein berühmter Politikwissenschaftler wird 80.
Klaus von Beyme hat viele Ehrungen erfahren. Reden wurden auf ihn gehalten, Artikel geschrieben, Gratulationen überbracht: zum 60., 65., 75. und nun zum 80. „Postmodern ohne Misere“ überschrieb die Frankfurter Allgemeine vor drei Tagen ihre Eloge auf ihn. Nicht schlecht, das trifft etwas, sicherlich nicht alles. Aber wer kann das schon „Alles“ über Klaus von Beyme sagen und schreiben, über ihn, der über fast alles selbst geschrieben hat. Ich will hier nicht als Statistiker auftreten, der noch einmal berichtet, wie viele Bücher er geschrieben hat, wie viele Artikel verfasst, in wie viele Sprachen er übersetzt und wie oft er zitiert wurde. Es soll 9700 Mal geschehen sein, behauptet Google Scholar. Das dürfte gut für ein Dutzend Berufungen reichen. Vor wenigen Wochen genügten einer Soziologin 153 Zitationen, um an der Humboldt Universität zu Berlin als Professorin berufen zu werden.
Aber darum soll es hier nicht gehen. Ich werde nicht versuchen, erneut die Hauptstationen seiner beruflichen Erfolge aufzusagen oder die beeindruckende thematische Vielfalt seiner wissenschaftlichen Produktion aufzuspannen. Das ist schon geschehen, ausladend und dennoch nicht hinreichend. Aber was soll man dann über Klaus von Beyme sagen, wenn man ihn nicht enzyklopädisch, universalgelehrt, rhetorisch brilliant, polyglott und produktiv nennen darf? Nicht einfach, aber einen Versuch ist es wert.
Ich will mich dem Jubiliar, unserem Geburtstagskind, mit einer von ihm gerne eingesetzten, (von Max Weber adaptierten) Methode annähern, nämlich der Typenbildung. Es geht mir also um die Frage: der Beyme, was ist das eigentlich für ein Typ? Dabei werde ich mich weit von Max Weber entfernen müssen. Idealtypen sind nicht wahrheitsfähig. Sie schulen jedoch unser Zurechnungsurteil und weisen Hypothesen damit die Richtung. Sie sind nicht die Darstellung des Wirklichen, aber sie verleihen der Analyse des Wirklichen ordnende Ausdrucksmittel. Ähnlich konzipiert sind Sartoris polare Typen, die freilich meist binär die Pole einer eindimensionalen Achse bilden. Aber Klaus von Beyme ist kein Idealtyp, noch weniger polar und schon gar nicht polarisierend. Eindimensionale Zuordnungen und dann noch an Achsenpolen platziert, taugen für Klaus von Beyme nicht. Der Typ ist zu vielschichtig, multi-dimensional und komplex. Die Sparsamkeit, die wir unseren Studenten und Studentinnen bei solcherlei methodischen Exerzitien abverlangen, will ich heute beiseite lassen und mich empirisch hemdsärmelig auf die Suche begeben. Es gilt den real existierenden Typ Klaus von Beyme an einem jeweiligen Idealtypus zu vermessen. Dafür habe ich mir drei Typen ausgesucht: Den Politikwissenschaftler, den Lehrer und den Menschen. Das geht dann so:
Klaus von Beyme hat über Theorie, Innenpolitik, Policies, Parteien, Interessengruppen, Avantgarden, Kunst und Feminismus geschrieben, Bücher zu Italien, Spanien, Russland, die Sowjetunion, Osteuropa oder die USA verfasst. Das ist Politikwissenschaft kein Zweifel, aber was für eine Politikwissenschaft? Auf was für einen Lehrstuhl könnte man ihn eigentlich berufen? Die Frage lautet hier: Was für ein Typus von Politikwissenschaftler ist Klaus von Beyme?
Klaus von Beyme hat mehr Studenten examiniert, junge Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen promoviert als jeder andere in diesem Raum, diesem Gebäude, in der Fakultät, vielleicht sogar in der Universität. Generationen haben bei ihm gehört und gelernt. Die Frage lautet hier: was für ein Typ Lehrer ist Klaus von Beyme?
Klaus von Beymes bedeutender Vorfahr Carl Friedrich von Beyme hat dem preußischen König Friedrich Wilhelm III. als preußischer Kabinettsrat, Großkanzler, Wirklicher Geheimer Staatsminister, zeitweise Zivilgouverneur von Pommern, Mitglied des Staatsrats und Gründungsorganisator der Berliner Universität gedient. Der Ururenkel Klaus hat über „Preußen als Kulturnation“ geschrieben. Zudem wurde er in aller Herrgottsfrühe stets als der Erste von den Hausmeistern des Instituts gesichtet. Ist das ein preußisches Indiz? Die Frage heißt hier: Ist der Mensch Klaus von Beyme ein Preuße?
Lassen wir uns also auf die Realvermessung von Klaus von Beyme ein. Was für ein Politikwissenschaftler ist er?
Der Politikwissenschaftler Klaus von Beyme
Der moderne Idealtyp des Politikwissenschaftlers ist spezialisiert. Will sie oder er Karriere machen, empfiehlt es sich immer mehr, sich frühzeitig festzulegen auf eine Teildisziplin. Dann hat er oder sie nämlich den Vorteil, genau die spezialisierten Zeitschriften auszuwählen, die ihren Karrieren dienlich sind: diese liegen meistens im angelsächsischen Bereich der A minus und B plus Journals. Die B-plus-Journale scheinen unter dem Kosten-Nutzen-Kalkül heute besonders karrieretauglich. Der moderne Politikwissenschaftler ist methodisch versiert. Das gilt insbesondere für die vergleichende Politikwissenschaft, gleichgültig, ob auf large n, small n, case studies oder intra-case studies der Fokus gelegt wird. Der Auswahl der Fälle, case selection wie unsere Doktoranden schreiben, wird große Sorgfalt gewidmet. Darf man auf der abhängigen Variablen auswählen, welches sind die unabhängigen Variablen, soll man sich auf typical cases, deviant cases, crucial cases, most oder least likely cases kaprizieren, darf man areas als theoretisch begründbare Samples heranziehen und inwieweit sind schließlich Generalisierungen erlaubt? Es kann jedenfalls gelten, mit jeder Generation von Politikwissenschaftlern stieg die methodische Kompetenz. Mit dem Anstieg der methodischen Raffinesse sank jedoch häufig die Relevanz der Fragestellung. Anders formuliert: mit der politischen Irrelevanz der Fragestellung steigt die Chance der Veröffentlichung in den führenden Zeitschriften der angloamerikanischen Zunft, wie Jerry Munck jüngst herausgearbeitet hat. Überspitzt könnte man den Idealtypus des modernen Politikwissenschaftlers folgendermaßen kennzeichnen: thematisch spezialisiert, methodisch versiert, substantiell diminuiert.
Und Klaus von Beyme? Thematisch universell, methodisch entspannt, substantiell ergiebig! Nicht einmal auf eine Teildisziplin kann man ihn festlegen. Er hat entscheidende Lehrbücher zur politischen Theorie geschrieben, für die Innenpolitik gilt sein „Politisches System der Bundesrepublik“ auch in der 11. Auflage als Standardwerk. Besonders intensiv hat er vergleichend zu politischen Systemen, Systemwechseln, Parteien und Interessengruppen gearbeitet. Dabei hat er sich nie mit den gut untersuchten westlichen OECD-Ländern zufrieden gegeben, sondern häufig auch den Osten erforscht. „Walking on two legs“ hat er dies in der Selbstbeschreibung seiner Arbeiten genannt. Er hat bedeutsame Themen in den Sphären von Polity, Politics und – etwas zurückhaltender – Policies traktiert: die Genese und Struktur parlamentarischer Regierungssysteme in Westeuropa, Parteien in westlichen Demokratien, Systemwechsel in Osteuropa, Ökonomie und Politik im Sozialismus, Gewerkschaften, Kunst und Politik oder was wir demnächst erwarten dürfen Politik und Religion. Eigentlich wollte ich ja nicht aufzählen, aber man entkommt dieser Berichtspflicht kaum, schreibt man über Klaus von Beyme. (Scribo ergo sum!)
Die überfliegende Berichtserstattung zeigt aber schon aus der Vogelperspektive: Klaus von Beyme ist kein Idealtyp des modernen Politikwissenschaftlers, eher schon ein Allroundtyp. Einmal hat er zu mir gesagt: „Ja, C.J. Friedrich, der hatte wirklich große Themen „Man and his government“, der „Verfassungssaat der Neuzeit“, „Totalitarian Dictatorship and Autocracy“ oder „Philosophy of Law in historical Persepective““. Die seinen waren kaum kleiner, ihre Bandbreite vielleicht sogar noch größer. Sie waren aktuell und sind mit der Zeit gegangen, gleichwohl waren sie stets historisch-genetisch verankert. Klaus von Beyme war schon historical intstitutionalist, lange bevor der Begriff selbst in die Welt gesetzt wurde und noch Strukturfunktionalismus und Behaviouralismus die Moderne der Politikwissenschaft dominierten.
Schwieriger wird die Einschätzung der normativen Dimension seines Werkes. Wo steht Klaus von Beyme? Lässt er sich auf der Links-Rechts Achse verorten? Welches sind die ethischen oder moralphilosophischen Fluchtpunkte seines politischen Denkens? Als ich Student war, habe ich ihn politisch als wenig aufregend, bürgerlich und in der Mitte der Sozialdemokratie platziert. Bürgerlich und Sozi, das ging damals gut zusammen, war schlicht synonym, wenn man nur weit genug links stand. Seine Mitgliedschaft in der SPD und sein kurzer Ausflug als Kandidat für die Bundestagswahlen zu Beginn der 70er Jahren schienen seine Mitte-Links-Neigungen zu bestätigen. Er selbst hat sich in seinen Schriften nie wirklich normativ verortet. Wenn es in ihnen normativ eine Gemeinsamkeit gab, war es Toleranz, Toleranz gegenüber anderen wissenschaftlichen Positionen. Sie wurden zwar durchaus kritisiert, bisweilen auch ironisch, aber sie wurden nicht erlegt und nicht erledigt – weder wissenschaftlich noch politisch.
Der Lehrer Klaus von Beyme
Ein Lehrer ist kompetent, weiß wovon er redet, lehrt mit Begeisterung, hat eine Ausbildung in Didaktik, sollte natürliche Autorität haben, in Ausnahmefällen auch Charisma. Ist zudem das Sendungsbewusstsein und Ego groß genug, versuchen Hochschullehrer eine „Schule“ zu begründen.
Klaus von Beyme außerordentlich einflussreiche Lehrbücher geschrieben hat, dennoch waren seine Vorlesungen nie wie Lehrbücher aufgebaut. Sie waren nicht traditionell, aber auch nicht modern. Man konnte nicht nach dem didaktischen Muster – Erstens, zweitens, Drittens, Drei-Eins, Drei-Zwei, Drei-Drei mitschreiben und lernen; und dennoch bin ich jedes Mal mit vielen Stenogramm-Seiten aus seinen Vorlesungen gegangen. Häufig auch mit Namen von Autoren gespickt, die ich noch nie gehört hatte. In Zeiten, wo es weder Nohlens Lexikon der Politik, noch Manfred Schmidts Wörterbuch zur Politk oder gar Wikipedia gegeben hatte, war ihnen nicht einfach nachzuspüren.
Über Klaus von Beymes Vorlesungen lag der Hauch der Postmoderne. Nicht dass sie sich postmodern anklagend gegen die Methoden, Begriffe, Grundannahmen, Theorien und die Absenz der Selbstreflexiviät der Moderne gewendet hätten. Sie haben vielmehr die Vielfalt auch nebeneinander stehender Perspektiven geöffnet und erlaubt. Der „Vorleser“ hat sie auch nicht hierarchisch im Sinne epistemologischer Superiorität geordnet und so den Studenten mit auf den Weg gegeben. Insofern war mit seinen Vorlesungen auch stets das von Horaz geprägte und durch Immanuel Kant berühmt gewordene „aude sapere“, „wage zu wissen“, und „wage zu denken“ verbunden. Foucault hat übrigens in seiner poststrukturalistischen Philosophie das aude sapere als eine zentrale Aufforderung an das Individuum verstanden, sich in postmodernen Zeiten reflexiv und reflektierend zu verorten. Also es war nicht Feierabends anything goes, sondern es galt selbst zu überprüfen, auszuwählen und zu verwerfen. In Zeiten der Bachelorisierung des Lernens wünscht man sich gerne zurück in diese Anleitung zum intellektuellen Mündig Sein.
Die Vorlesungen Klaus von Beymes waren in der Universität eine Marke. Sie wurde nachgefragt von Studierenden über die Fakultäten hinweg. Sie waren ein Event. Sie waren voll, überbesetzt. Klaus von Beyme war der Star. Ich persönlich habe sie mehr geschätzt als seine Seminare. Für meine Begriffe war dort der Seminarleiter zu nachsichtig. Wir durften zu lange vortragen, wurden in den Diskussionen zu sehr geschont. Um Kritik zu hören, musste man schon genau hinhören, ein wirklicher Verriss eines Seminarvortrages ist mir nicht erinnerlich. Spannend wurden die Seminare besonders, wenn es politisch wurde. Ich erinnere mich in den 1970er Jahren an ein Seminar über politische Parteien. Es gab wieder Zoff mit dem KBW. Raimund Bickelmann, ein Langzeitstudent und verdienter Genosse des Kommunistischen Bundes Westdeutschlands machte Professor Beyme auf die persönlichen Risiken sozialistischer Revolutionen aufmerksam. O-Ton Bickelmann: “Beyme, dass das ganz klar ist, wir kriegen Dich – nach der Revolution“. Die Antwort kam prompt: „Herr Bickelmann, das rinnt bei mir in die Regenrinne meines kleinen Kampfanzuges“. Die aufgekommene Spannung im Seminarraum löste sich, befreiendes Gelächter füllte ihn.
Ich habe mit Andreas Busch zur Emeritierung Klaus von Beymes noch nachgezählt. Es waren schon vor 15 Jahren mehr als 1000 Examinanden, über 70 Doktoranden und 16 Habilitanden, die durch seine Schule und Prüfungen gegangen sind. Viele von uns waren seine Schüler ohne dass er je selbst eine Schule begründet hätte. Dazu war der Theoretiker Beyme zu sehr auch Empiriker. Sein umfangreiches historisches Wissen, sein zeitdiagnostisches Gespür und seine epistemische Toleranz ließen zu wenig Platz für theoretische Sparsamkeit und rigide Reduktion der Fakten auf solitäre Grundannahmen und strenge Subsumptionslogik. Auch aus eigener Anschauung würde ich behaupten: es war nicht die theoretische Strenge, nicht die glasklare Struktur, die seine Stärke als Lehrer auszeichneten, sondern die assoziative Kreativität, die charismatische Rhetorik und der Gelehrte, die uns faszinierten und zum Lernen wie Denken anregten. Das war nicht grammatikgleich strukturiertes Lernen, nicht das Einreihen in eine Schule, sondern das Begreifen durch Reflexion und Imitation. Imitation, die einem als Schüler viel Raum gab, seine eigene Struktur und wissenschaftliche Identität zu finden.
Ein Preuße?
Ist Klaus von Beyme ein Preuße? Was bedeutet das überhaupt – ein Preuße zu sein? Klaus von Beyme hat selbst versucht, darauf eine Antwort zugeben. Wenn ich seinen Aufsatz „Preußen als Kulturnation“ richtig lese, verneint er eine klare, unverwechselbare nationale oder kulturelle Identität Preußens. Es hat Anläufe gegeben: Schinkel in der Architektur etwa, Preußens Beitrag zu Aufklärung und Toleranz, der Aufbau rationaler Verwaltungen, der Drill des Militärischen, Austerität und Frugalität. Das alles hat sich aber nicht zu einem unverwechselbaren Gesamtbild einer eindeutigen nationalen und kulturellen Identität gefügt. Ein Idealtyp mag Preußen als Eroberungsstaat gewesen sein, zum idealtypischen „Staat des Geistes“ hat es schon nicht mehr gereicht. Da war die Aufklärung in Frankreich mächtiger und de preußische Staatsphilosoph Georg Friedrich Wilhelm Hegel war kein Preuße, sondern kam aus Schwaben, geschult im Tübinger Stift. Preußen hat es nicht zu einem Idealtyp gebracht, obwohl es in populären Diskursen nicht selten zu einem gemacht wird. Es bleiben aber eine ganze Reihe von preußischen Eigenschaften, sodass wir den Realtyp „Preußen“ an den Realtyp „Beyme“ als Messlatte anlegen können.
Beginnen wir mit dem Drill des Militärischen. Körperstatur und Gang hätten ihm wohl die Aufnahme in das 6. Infanterieregiment der „Langen Kerls“ des Kronprinzen Friedrich Wilhelm versperrt. Ich kann auch sonst nichts Militärisches entdecken. Über Clausewitz hat er nichts geschrieben, über den Ersten Weltkreg, wie jüngst Herfried Münkler auch nicht. Sein Vorfahr, der Wirkliche Geheime Staatsminister Carl Friedrich von Beyme war ein glänzender Verwaltungsorganisator, der nicht zuletzt auch die Gründung der Berliner Universität voran getrieben hatte, nicht etwa Wilhelm von Humboldt. Sein Ur-Urenkel Klaus ist, in Universitätskreisen zumindest, nicht als preußisch durchdringender Instituts- und Fakultätsverwalter aufgefallen. Da war er viel eher bayrisch oder soll ich sagen österreichisch entspannt. Nach dem Militärischen nun auch das Bürokratische – Fehlanzeige.
Bleiben Disziplin, Pflichterfüllung, Frugalität, Aufklärung, Toleranz. Und davon hat er was, von allen. Disziplin und Pflichterfüllung, beides besitzt er wohl in hohem Maße. Anders ist der enorme Umfang seines Oeuvre und die achtungsgebietende Anzahl der Beyme-Absolventen gar nicht zu erklären. Dass er von beidem nie großes Aufheben gemacht hat, zeigt sein Pflichtverständnis. Man ist Forscher und Hochschullehrer, da hat man auch die Pflicht etwas zu leisten. Die Leistungen sind Pflicht nicht zu feiernde Erfolge. Man kann sich vorstellen, dass das auf den schlesischen Gütern der von Beymes nicht anders war, auch für den kleinen Klaus. Zwar hat er seine Assistenten nie auch nur andeutungsweise ausgebeutet, gelobt hat er sie auch nicht. Die taten ihre Pflicht, wir hatten verstanden. Von seinem Sohn Maximilian von Beyme ist folgendes Bonmot überliefert. Auf die ihm bisweilen gestellte Frage, ob Klaus von Beyme ein Verwandter von ihm sei, soll er geantwortet haben: „Jaa – Klaus von Beyme ist ein weitläufiger Vater von mir“.
Mit Disziplin und Pflicht, Sekundärtugenden also, wie Oskar Lafontaine einst Helmut Schmidt belehrt hatte, ist eine gewisse Frugalität verbunden. Große Zeremonien und bedeutungsvolles Auftreten wie bei Dolf Sternberger hat er eher ironisch kommentiert. Da war er nicht österreichisch, nicht Barock, sondern eben Preußisch, schnörkellos wie die preußische Gebrauchsarchitektur.
Mit der Unkenntnis seiner Studenten, aber auch mit den Rebellionen der Studentenbewegung ging er tolerant um. Immer auch zur Diskussion bereit. Der Bund Freiheit der Wissenschaften schien ihm mehr Greuel gewesen zu sein, als die Dogmatik der Marxistischen Gruppe. Ein ehemaliges Mitglied der maoistisch angehauchten „Liga gegen den Imperialismus“ soll es sogar zu einer Assistentur am Lehrstuhl Beyme gebracht haben. Aber auch gegenüber anderen normativen, epistemologischen und methodischen Positionen in der Politischen Wissenschaft war er offen. Er hat aufgesogen, nicht ausgegrenzt. Viele Ergebnisse aus den unterschiedlichsten Richtung hat er sich geradezu postmodern angeeignet und in seine konfigurativen Deskriptions- und Erklärungsmuster eingesponnen. Er ließ sich aufklären und hat aufgeklärt. Das hat ihm viel Achtung und Sympathie von Kollegen und Studenten eingebracht. „Stand bey-me“ haben die Studierenden ihm zum 65sten gesungen. Fast eine Liebeserklärung, so hatten sie es auch gemeint. Klaus von Beyme ist also nur ein Drei-Viertel-Preuße, ein bisschen Schlesisch-Österreichisch ist auch dabei.
Lieber Herr von Beyme: Wir alle gratulieren Ihnen!
Dass immer mehr Leute “das” und “dass” nicht mehr unterscheiden können (auch jetzt so genannte Studierende”), das ist traurig, aber es ist so.
Dass aber ein leibhaftiger Professor eine Laudatio zu VON BEYMES 80. Geburtstag ins Netz stellt, in der sich solche Patzer auch finden, das ist ein Jammer.
Die Anekdote mit O-Ton BICKELMANN selbst ist ja wunderschön. Und so müsste das Zitat richtig heißen:
“Beyme, DASS das ganz klar ist, wir kriegen dich – nach der Revolution“.
(Grüße von einem, der noch in Tübingen bei VON BEYME studiert hat, aber nicht mehr bei ihm geprüft werden konnte, weil es den Meister der Vorlesungen nach Heidelberg gezogen hatte.)
Vielen Dank für den freundlichen Hinweis. Der orthographische Lapsus ist nun korrigiert.