Kurzanalyse zur #hhwahl2015

Die Wahl zur Hamburger BĂŒrgerschaft 2015 verzeichnete ein neues Rekordtief der Wahlbeteiligung. Zugleich gelang der AfD erstmals der Einzug in ein westdeutsches Landesparlament. Eine Kurzanalyse der Wahlkreisdaten zeigt: Die Wahlbeteiligung war besonders dort niedrig wo die Arbeitslosigkeit hoch war, in diesen Wahlkreisen fand auch der deutlichste RĂŒckgang der Wahlbeteiligung gegenĂŒber 2011 statt. Die AfD scheint, Ă€hnlich PEGIDA, besonders dort erfolgreich zu sein, wo wenige AuslĂ€nderInnen leben.

Wahlbeteiligung

Viel Beachtung erhielt neben den Ergebnissen der Hamburger BĂŒrgerschaftswahl am vergangenen Sonntag wieder die Wahlbeteiligung, die fĂŒr Landtagswahlen typisch niedrig ausfiel: 56,9%. Dies ist ein minimaler RĂŒckgang gegenĂŒber der letzten BĂŒgerschaftswahl in 2011 – damals betrug die Wahlbeteiligung 57,3%. Dabei ist Wahlbeteiligung sehr ungleich ĂŒber die Stadtgebiete verteilt – von 70.7% im Wahlkreis 13 Alstertal – Walddörfer zu 42.2% im Wahlkreis 02 Billstedt – Wilhelmsburg – Finkenwerder
(Standardabweichung: 5.8%-Punkte).

Dabei zeigt sich erneut, dass die Wahlbeteiligung stark an die sozio-ökonomischen Gegebenheiten eines Wahlkreises gebunden ist. In sozial schwÀcheren Stadtgebieten fiel die Wahlbeteiligung erneut niedriger aus. Je höher die Arbeitslosigkeit (in % der 15- bis 65-JÀhrigen) in einem Wahlbezirk war, desto niedriger fiel die Wahlbeteiligung aus. Die Arbeitslosenrate korreliert extrem stark mit der Wahlbeteiligung (Abb. 1). So lÀsst sich mit einem einfachen bivariaten Regressionsmodel (Tab. 1) ganze 85% der Varianz in der Wahlbeteiligung erklÀren. Ein substantiell Àhlicher Zusammenhang ergibt sich, wenn alternativ der Anteil der LeistungempfÀngerImmen nach SGBII an der Gesamtbevölkerung in Betracht gezogen wird. Entsprechend besteht ebenso ein starker bivariater Zusammenhang zwischen dem Durchschnittlichen Einkommen je Steuerpflichtigen in einem Wahlkreis und der dortigen Wahlbeteiligung.

Wahlbteiligung (auf der Y-Achse) und Arbeitslosigkeit (auf der X-Achse)

Wahlbteiligung (auf der Y-Achse) und Arbeitslosigkeit (auf der X-Achse)

 

Auch der RĂŒckgang der Wahlbeteiligung ist ungleich ĂŒber die Stadt verteilt. In einigen Stadtgebieten stieg die Wahlbeteiligung sogar wĂ€hrend sie in anderen Gebieten sank. Am stĂ€rksten stieg sie im Wahlkreis 10 FuhlsbĂŒttel – Alsterdorf – Langenhorn ( 3.5%-Punkte). Schlusslicht war erneut der Wahlkreis 02 Billstedt – Wilhelmsburg – Finkenwerder ( -2.6%-Punkte) RĂŒckgang der Wahlbeteiligung zeigt sich ein Ă€hnliches Muster. Dieser war besonders in sozial schwĂ€cheren Stadtvierteln gegenĂŒber 2011 nochmals niedriger (Abb. 2). Der Zusammenhang ist zwar schwĂ€cher, jedoch auch statistisch und substantiell signifikant (Tab. 1).

VerÀnderung der Wahlbeteiligung 2011 zu 2015 in %-Punkten (auf der Y-Achse) und Arbeitslosigkeit (auf der X-Achse)

VerÀnderung der Wahlbeteiligung 2011 zu 2015 in %-Punkten (auf der Y-Achse) und Arbeitslosigkeit (auf der X-Achse)

 

AfD

Neben der Wahlbeteiligung lag ein besonderes Augenmerk bei dieser Wahl auf der neuen Partei Alternative fĂŒr Deutschland (AfD). Die AfD in Hamburg wurde fĂŒr einen rechtspopulistischen Wahlkampf kritisiert. So warnte etwa der AfD-Spitzenkandidat Kruse vor einem “Vordringen islamischer Eigenarten” (SZ, 12.01.2015). Die AfD schien in Hamburg, wie die OrganisatorInnen der PEGIA-Bewegung, auf die Angst einiger BĂŒrgerInnen vor dem Fremden zu setzen. Deren montĂ€gliche Demonstrationen schienen besonders in Orten, in denen wenige Menschen mit Migrationshintergrund leben, stark zu sein. In der Tat scheinen Hamburger AfD-WĂ€hlerInnen Ă€hnliche Sorgen umzutreiben wie PEGIDA-TeilnehmerInnen. So gaben in einer Umfrage des Instituts infratest dimap fĂŒr die ARD die PluralitĂ€t der AfD-WĂ€hlerInnen (33%) an, das Thema “AuslĂ€nder / Zunwanderung” sei fĂŒr sie ein wichtiges Thema gewesen. 59% der AfD-WĂ€hlerInnen (gegenĂŒber 23% im Rest der WĂ€hlerInnenschaft) stimmten der Aussage zu “Hamburg hat zu viele FlĂŒchtlinge” (ARD, o.D.). Es liegt also der Schluss nahe, dass die AfD, analog zur PEGIDA-Bewegung, daher besonders in Stadtteilen mit geringer migrantischer Bevölkerung erfolgreich war.

 Erste Grafik: AfD-Stimmanteil und AuslÀnderanteil. Zweite Grafik: AfD-Stimmanteil und Arbeitslosigkeit.

Erste Grafik: AfD-Stimmanteil und AuslÀnderanteil. Zweite Grafik: AfD-Stimmanteil und Arbeitslosigkeit.

Ein solcher Zusammenhang ist, zumindest auf Basis der Wahlkreisdaten, nicht offensichtlich. Es besteht kein bivariater Zusammenhang zwischen dem Anteil der in einem Wahlkreis lebenden BĂŒrger ohne deutsche StaatsbĂŒrgerschaft und dem Stimmanteil der AfD (Abb. 3, Tab. 1). In der Tat ergibt sich sogar ein schwacher statistisch nicht signifikanter positiver Zusammenhang.

Jedoch ist Hamburg eine Stadt mit vielen BĂŒrgerInnen mit Migrationshintergrund mit oder ohne deutsche StaatsbĂŒrgerschaft. Dabei leben diese vornehmlich in sozial schwĂ€cheren Wohngebieten (r = 0.88 fĂŒr Arbeitslosenrate und AuslĂ€nderInnenanteil). Arbeitslosigkeit korreliert positiv, und statistisch signifikant, mit dem Stimmanteil der AfD (Abb. 3, Tab. 1) – ein Hinweis auf das ProtestwĂ€hlerpotential der AfD.

Kontrolliert man fĂŒr die Arbeitslosigkeit in einem Wahlkreis ergibt sich weiterhin ein positiver Zusammenhang zwischen der Arbeitslosenrate und dem Stimmanteil der AfD. Weitaus interessanter jedoch: es stellt sich ebenso eine signifikant negative partielle Korrelation zwischen dem AuslĂ€nderanteil und dem Stimmanteil der AfD ein (Abb. 4, Tab. 1).

Partieller Regressionsplots: AfD-Stimmanteil und AuslĂ€nderanteil unter Kontrolle fĂŒr Arbeitslosenrate.

Partieller Regressionsplots: AfD-Stimmanteil und AuslĂ€nderanteil unter Kontrolle fĂŒr Arbeitslosenrate.

Kontrolliert man also fĂŒr die Arbeitslosenrate ergibt sich ein negativer Zusammenhang zwischen dem AuslĂ€nderanteil in einem Wahlkreis und dem dort erzielten Ergebnis der AfD. Dies wĂŒrde die These bestĂ€tigen, dass der Erfolg der AfD, Ă€hnlich dem der PEGIDA, besonders dort groß ist wo wenige BĂŒrgerInnen ohne deutsche StaatsbĂŒrgerschaft leben.

Dieses Ergebnis ist jedoch mit Vorsicht zu genießen. Verwendet man statt des AuslĂ€nderanteils den Anteil der BĂŒrgerInnen mit Migrationshintergrund so ergibt sich weder fĂŒr diese Variable noch fĂŒr die Arbeitslosenrate ein Zusammenhang zum Wahlergebnis der AfD. Die hier dargestellten ersten Ergebnisse bedĂŒrfen der Substantiierung durch weitere Analysen. Eine Erforschung der Erfolgsbedingungen der AfD im Besonderen und rechtspoulistischer Parteien im Allgemeinen ist ein politikwissenschaftlich wie gesellschaftlich wichtiges Forschungsfeld.

Arndt Leininger ist Doktorand an der Hertie School of Governance. Seine Forschungsschwerpunkte sind Direkte Demokratie, Vergleichende Politikwissenschaft, ReprÀsentation und Wahlforschung. Arndt hat einen MSc in Political Science and Political Economy der London School of Economics and Political Science und einen Bachelorabschluss in Politikwissenschaft der Freien UniversitÀt Berlin. Zwischen 2012 und 2013 hat er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter von Sven-Christian Kindler, MdB gearbeitet.

Alle dieser Analyse zu Grunde liegenden Materialien sind verfĂŒgbar auf: https://github.com/aleininger/hhwahl2015

Appendix

Dependent variable:
to to – to11 afd
Wahlbeteiligung VerÀnd. Wahlb. AfD AfD AfD
(1) (2) (3) (4) (5)
(Konstante) 0.068 -0.359**
(0.086) (0.136)
Arbeitslosigkeit 81.402*** 2.618** 5.368*** 3.236** 2.357*
(2.741) (1.171) (1.242) (1.434) (1.258)
AuslÀnderanteil -4.332*** -0.530** 0.539** 1.555***
(0.466) (0.199) (0.244) (0.437)
Observations 17 17 17 17 17
R2 0.852 0.320 0.040 0.245 0.496
Adjusted R2 0.842 0.275 -0.024 0.195 0.424
Residual Std. Error 3.016 (df = 15) 1.288 (df = 15) 1.780 (df = 15) 1.578 (df = 15) 1.335 (df = 14)
F Statistic 86.252*** (df = 1; 15) 7.069** (df = 1; 15) 0.625 (df = 1; 15) 4.875** (df = 1; 15) 6.888*** (df = 2; 14)
Note: p<0.1; p<0.05; p<0.01
In der vorliegenden Analyse verwendete Daten. Umfassendere Daten im GitHub Repository.
Wahlbezirk Wahlbeteiligung Wahlb. 2011 AfD Arbeitslosigkeit AuslÀnderanteil
01 Hamburg-Mitte 50.00 50.60 5.80 7.20 20.90
02 Billstedt – Wilhelmsburg – Finkenwerder 42.20 44.80 7.90 9.60 27.00
03 Altona 61.30 62.80 3.00 6.10 16.10
04 Blankenese 60.30 62.40 6.00 5.40 12.50
05 Rotherbaum – Harvestehude – EimsbĂŒttel-Ost 68.00 66.50 3.40 3.80 11.90
06 Stellingen – EimsbĂŒttel-West 56.80 56.80 5.20 5.70 13.30
07 Lokstedt – Niendorf – Schnelsen 61.60 61.90 6.00 4.20 9.70
08 Eppendorf – Winterhude 65.40 65.30 3.80 3.60 10.50
09 Barmbek – Uhlenhorst – Dulsberg 56.10 54.40 5.30 5.80 13.20
10 FuhlsbĂŒttel – Alsterdorf – Langenhorn 63.70 60.20 6.40 4.80 10.40
11 Wandsbek 50.80 52.00 7.50 6.60 13.70
12 Bramfeld – Farmsen-Berne 52.10 53.30 8.00 6.20 11.80
13 Alstertal – Walddörfer 70.70 70.20 6.20 2.80 5.70
14 Rahlstedt 54.20 55.10 7.50 5.30 9.50
15 Bergedorf 52.80 53.80 7.50 5.30 10.70
16 Harburg 49.50 50.60 8.70 7.20 21.30
17 SĂŒderelbe 51.20 52.50 8.70 6.70 12.40
Hamburg 56.90 57.30 6.10 5.80 14.30

 

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