Das Virus und der Wettlauf der Systeme

von Wolfgang Merkel

Eigentlich schien die Sache lĂ€ngst geregelt. Als 1989 das Sowjetimperium zusammenbrach, verkĂŒndete Francis Fukuyama das Ende der Geschichte, die in der Idee der Vernunft zu sich selbst gekommen sei. Der Sieger hieß Liberalismus. Er sei als Ordnungsprinzip nun ohne Alternative (sic). Doch schon 15 Jahre spĂ€ter wurde die Spekulation durch die WeltlĂ€ufte entzaubert. Der Kapitalismus hatte sich zwar global durchgesetzt, auch waren die Demokratien zahlreicher geworden, doch selten in liberal-rechtsstaatlichen Varianten. Alte Diktaturen wie China stiegen zur Weltmacht auf. Russland und die TĂŒrkei wurden Autokratien. In SĂŒdkorea und Taiwan etablierten sich neue Demokratien, Singapur konsolidierte sein semi-autoritĂ€res Regime, und Hongkong rĂŒckte in die Grauzone von Autokratie und Demokratie. Der Wettlauf der Systeme war wieder offen.

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C-Virus und E-Parlament – In der Krise muss Politik digital ergĂ€nzt werden

von Bernhard Weßels und Wolfgang Schröder

Wir leben in einer gesundheitlichen Notsituation. Diese darf allerdings nicht Anlass fĂŒr eine politische Ausnahmesituation werden, in der die Rechte der Verfassungsorgane beschnitten werden. Im Gegenteil: Der Rede von der „Stunde der Exekutive“ muss die Forderung nach einer „Stunde der Legislative“ entgegengestellt werden. Denn die in einer solchen Krisensituation geforderten gesellschaftlichen EinschrĂ€nkungen mit all ihren Konsequenzen fĂŒr Freiheits- und Partizipationsrechte mĂŒssen demokratisch so eingebettet werden, dass der Notstand nicht zur AlltĂ€glichkeit wird. Reichweite und Zeithorizonte mĂŒssen klar abgesteckt sein.

Angehörige des Dt. Bundestages mit zwei StĂŒhlen Abstand
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Wer ist der SouverÀn?

von Wolfgang Merkel

Niemand hat die Frage „Wer ist der SouverĂ€n?“ bĂŒndiger beantwortet als der ebenso brillante wie umstrittene Staatsrechtslehrer Carl Schmitt: „SouverĂ€n ist, wer ĂŒber den Ausnahmezustand verfĂŒgt“, schrieb er 1922 in seinem Werk „Politische Theologie“. Schmitt nimmt unverkennbar Anleihen bei seinem großen Lehrmeister Thomas Hobbes. In Hobbes’ „Leviathan“ (1651) gilt der ĂŒberragende Imperativ, BĂŒrgerkrieg, den Kampf aller gegen alle, zu verhindern. Machterhaltung, innerer Frieden und Legitimation fließen hier zusammen. Nun droht in Europa und der demokratischen Welt kein BĂŒrgerkrieg, auch wenn der französische StaatsprĂ€sident sich einer martialischen Metaphorik bediente: „Nous sommes en guerre!“ Krieg hat schon immer die staatliche Exekutive gestĂ€rkt und insbesondere ihre PrĂ€sidenten mit besonderen Vollmachten gegenĂŒber den Regierten ausgestattet.

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Wenn die Exekutive viral geht

Demokratie, Rechtstaat und LegitimitÀt in Zeiten von Corona

von Sascha Kneip

Die Exekutiven von Bund und LĂ€ndern behandeln in der Corona-Epidemie „ihre“ BĂŒrgerinnen und BĂŒrger wie unmĂŒndige Kinder, obwohl doch eigentlich sie diejenigen sind, deren Handlungen demokratisch kontrolliert werden mĂŒssten. Das wirft kein gutes Licht auf den demokratischen Rechtstaat und die LegitimitĂ€t der Demokratie.

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Darf der Staat die Grundrechte so sehr einschrÀnken?

Kurzmitteilung

In der Corona-Krise werden die Grundrechte der BĂŒrger*innen durch die Maßnahmen der Bundesregierung zur Verlangsamung des Virus stark eingeschrĂ€nkt. Im Podcast “Tonspur Wissen” spricht Wolfgang Merkel vom Wissenschafszentrum Berlin (WZB) ĂŒber die Gefahren fĂŒr das demokratische System, das Verlangen nach FĂŒhrungsfiguren und warum BĂŒrger*innen gerade jetzt besonders wachsam sein mĂŒssen lĂ€sst sich hier nachhören.

The Italian Re(in)volution of August

by Rebecca Farulli

In this blog piece, WZB intern Rebecca Farulli (Sant’Anna School of Advance Studies – University of Trento) offers a picture over the recent government crisis in Italy and the road ahead for the current political coalition born out of it in contrasting far-right narratives and electoral success.

L’aula della Camera in occasione dell’iniziativa “Montecitorio a porte aperte”. Roma 9 novembre 2014. ANSA/ANGELO CARCONI
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„Linksliberale Hegemonie und Hybris“

Im Interview mit dem IPG Journal steht WZB-Direktor Wolfgang Merkel Rede und Antwort:
Es geht um die Polarisierung der Politik und den Niedergang der Volksparteien, aber auch um den Erfolg der GRÜNEN, Meinungsfreiheit, die liberale Dominanz im öffentlichen Diskurs und demokratische Innovationen.

Online nachzulesen kann man das Interview hier:

https://bit.ly/340vnAj

A civic demos of communitarian demoi – An argument on the EU’s ‘democratic deficit’

by Carsten Gerards

Debating democracy, legitimacy and representation in the EU usually revolves around the European Parliament – a discourse that is not living up to the bloc’s particular nature as a ‘people of peoples’. Contrary, our guest author Carsten Gerards (College of Europe) argues in this blog post, that member states’ parliaments must become an integral part of the equation, both keeping their governments on a short(er) leash and counterbalancing the supranational institutions.

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Woraus nÀhrt sich der rechtspopulistische Protest in Deutschland?

Ein Vergleich verschiedener Protestdimensionen

von Gesine Höltmann

Rechtspopulistisches WĂ€hlen gilt weithin als Ausdruck von Protest. Unklar bleibt dabei jedoch gegen wen oder was sich dieser Protest richtet. Gastautorin Gesine Höltmann vergleicht in unserem neuen Blog-Beitrag drei mögliche Protestdimensionen unter AfD-WĂ€hlerInnen: Unzufriedenheit mit der Leistung der Bundesregierung, mit etablierten Parteien insgesamt, oder mit dem gegenwĂ€rtigen demokratischen System. Die statistische Analyse anhand von Umfragedaten[1] des GLES– Projektes zeigt, dass alle drei Dimensionen stark mit der Wahl der AfD zusammen hĂ€ngen. Weiter lĂ€sst sich feststellen, dass Protest als Mediator fĂŒr Unzufriedenheit mit der FlĂŒchtlingspolitik fungiert. Diese schlĂ€gt sich jedoch primĂ€r auf die Demokratiezufriedenheit von AfD-WĂ€hlerInnen nieder, wĂ€hrend die Unzufriedenheit mit etablierten Parteien hiervon weitestgehend unabhĂ€ngig zu sein scheint.

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