Das Interview erscheint in der Zeitschrift “Queries“
Hat das politische Rechts-Links-Schema angesichts der erstarkenden populistischen Bewegungen weiterhin eine Daseinsberechtigung?
Ja, das hat es. Allerdings muss man berĂŒcksichtigen, dass sich die Inhalte dessen, was wir als links und rechts beschreiben, verschoben haben. Die historisch inhaltliche Achse, auf der linke und rechte Positionen verortet werden konnten, war die Verteilungsfrage gesellschaftlich erwirtschafteten Wohlstands. Dies konnte im ersten Zweidrittel des 20. Jahrhunderts noch in den (neo-) marxistischen Begriffen von privater VerfĂŒgung ĂŒber die Produktionsmittel und ausbeuterischen ProduktionsverhĂ€ltnissen verstanden werden. Die marxistische Begrifflichkeit verschwand, die Verteilungsfrage blieb in den kapitalistischen Demokratien jedoch weiter bestehen. Sie wurde nun nicht mehr ĂŒber Verstaatlichungen, sondern ĂŒber Steuern und wohlfahrtsstaatliche Leistungen (sozialdemokratische Parteien), Löhne (Gewerkschaften), PrimĂ€rgĂŒter (John Rawls) oder Lebenschancen (Amartya Sen) thematisiert. Im Zuge der Neoliberalisierung der Welt seit den frĂŒhen 1980er Jahren hat die Ungleichheit in der Verteilung von Einkommen und Lebenschancen wieder zugenommen. Die Verteilungsfrage hat sich erneut verschĂ€rft. In Zeiten der Globalisierung haben jedoch nunmehr die âKapitalseiteâ und die âInhaberâ hochentwickelten Humankapitals Vorteile gegenĂŒber Arbeitern und Menschen mit weniger nachgefragten professionellen FĂ€higkeiten. Fortschrittliche Parteien und Regierungen haben bisher nur unzureichende Wirtschafts- und Sozialpolitiken entwickelt, die das notwendige Investitionskapital anzieht und gleichzeitig die Ungleichheit in der Gesellschaft nicht anwachsen lĂ€sst. Weiterlesen →