2017 droht ein Parlament mit 700 oder mehr Abgeordneten. Noch wĂ€re Zeit fĂŒr eine nachhaltig wirksame Reform. Argumentieren Robert Vehrkamp von der Bertelsmann Stiftung, momentan Gast in der Abteilung Demokratie und Demokratisierung am WZB und Florian Grotz von der HSU.
Das seit 2013 geltende Wahlrecht zum Deutschen Bundestag ist ein âParlamentsvergröĂerungsgesetzâ. ErhĂ€lt eine Partei mehr Mandate als ihr nach bundesweitem Zweitstimmenproporz zustehen, werden diese durch weitere Mandate fĂŒr alle anderen Bundestagsparteien ausgeglichen. Damit ist zwar der innerparlamentarische Mandatsproporz wiederhergestellt. Der Preis dafĂŒr ist jedoch ein teils drastischer Mandatsaufwuchs. Aus der gesetzlich vorgesehenen RegelgröĂe des Bundestages von 598 Abgeordneten kann, je nach Wahlergebnis, schnell ein Parlament mit 700 oder mehr Abgeordneten werden. Die aktuellen Verschiebungen im Parteiensystem machen extreme VergröĂerungen sogar immer wahrscheinlicher. Das zeigen aktuelle Simulationen auf der Grundlage von Umfrageergebnissen. Damit wĂ€re das Parlament nicht mehr optimal arbeitsfĂ€hig, wĂŒrde unnötig hohe Kosten verursachen und letztlich die eigene LegitimitĂ€t beschĂ€digen.
Ein ĂŒber die MaĂen aufgeblĂ€hter Bundestag wĂ€re darĂŒber hinaus ein Elfmeter fĂŒr alle Populisten. Der BundestagsprĂ€sident hat daher die Parteien immer wieder aufgefordert, das Wahlrecht erneut zu reformieren – bislang jedoch vergeblich. Was wĂ€re konkret zu tun? FĂŒr die anstehende Wahl könnte durch eine âDeckelungâ der ParlamentsgröĂe und eine begrenzte interne Verrechnung von Ăberhangmandaten zumindest die Wahrscheinlichkeit eines âaus dem Leim gehendenâ Bundestages deutlich reduziert werden. Mittelfristig könnten Ăberhangmandate durch eine Wahlkreisreform gĂ€nzlich vermieden werden â und damit die RegelgröĂe â598â wieder eingehalten werden. Der notwendige Grundsatzbeschluss dazu sollte nicht auf Sankt Nimmerlein verschoben, sondern noch vor der im Herbst 2017 anstehenden Wahl gefasst werden, mit Wirksamkeit fĂŒr den ĂŒbernĂ€chsten Bundestag. Noch wĂ€re dafĂŒr Zeit.
Mehr dazu wie eine Wahlrechtsreform aussehen könnte in dem aktuellem “Einwurf” der Bertelsmann Stiftung.
Robert Vehrkamp ist Direktor des Programms “Zukunft der Demokratie” der Bertelsmann Stiftung in GĂŒtersloh. Seine Forschungsschwerpunkte sind Partizipation, Wahlbeteiligung und NichtwĂ€hler. Am WZB arbeitet als Gast der Abteilung Demokratie und Demokratisierung an einer Studie zur Steigerung der Wahlbeteiligung in Deutschland und entwickelt gemeinsam mit Abteilungsmitarbeitern den Demokratiemonitor.